Stories aus Barney's Korallengarten

Unterwegs im Korallendreieck

Liebe Natursportler/innen,

selten waren die tropischen Korallenmeere so schwer erreichbar wie aktuell. Und so sehr es dem einen oder anderen Divespot auch gut tut, eine Pause von der touristischen Dauernutzung zu genießen, so vermissen wir doch die unmittelbare Begegnung mit den faszinierenden Unterwasserwelten.  Der Tauchtourismus stellt an manchen Küsten die einzige echte Alternative zu Fischerei dar und liegt an fast allen Ferndestinationen am Boden. Nur wenige „Professionals“ harren in den verlassenen Ressorts aus. Der Tauchlehrer und Meeresbiologe Barney Seier hat die letzten Monate in Indonesien im sogenannten „Korallendreieck“ verbracht. Das Meeresgebiet zwischen den Salomonen, Borneo und den Philippinen zeichnet sich durch die höchste Artenvielfalt (Biodiversität) an Meeresorganismen (vor allem Steinkorallen) aus.

Barney hat die Chance des „Freiraums“ ergriffen und begibt sich mit seiner Kamera auf Entdeckungstour. Von einigen der wunderbaren Begegnung mit der Tierwelt des Korallendreiecks wird er hier berichten.

Wir wünschen euch dabei viel Spaß!

Euer Peter "Pit" van Treeck

Der Anfang

Am 27. März letzten Jahres beendete unser letzter Gast, Heike aus Dortmund, ihren Urlaub auf Bangka, einer kleinen Insel an der Nordspitze von Sulawesi / Indonesien. Wie auch auf Bunaken und Lembeh sind dort Resorts der Bastianos Familie speziell für Taucher eingerichtet, die Zugang zu drei komplett unterschiedlichen Tauchgebieten ermöglichen, die jeweils etwa anderthalbstündige Bootsfahrten voneinander trennen.

Seit Anfang 2019 bin ich, Barney Seier, dort als Meeresbiologe und Unterwasserfotograf tätig.

Der Job war wie geschaffen für mich: Taucher betreuen, die sich für die grandiose Artenvielfalt hier im Korallendreieck interessieren und dies eventuell noch mit der Kamera einfangen wollen. Abendliche Vorträge, Hilfestellung bei Kamerakonfiguration und auch Tipps für die Unterwasserarbeit mit Kamera füllten meinen Tag. Wenn es die Zeit zuließ, baute ich an einem künstlichen Riff an einer der wenigen Stellen im Hausriff, die durch menschliche Einflüsse in Mitleidenschaft gezogen worden sind und die einen Beitrag der Basis zur Erhaltung der Riffe darstellt. Spezielle Safaris, bei denen ich kleine Gruppe von Tauchern in alle drei  Tauchgebiete begleiten konnte,  waren auch für mich immer wieder  Highlights.

All dies wurde durch die Pandemie plötzlich  (und wirklich aus heiterem Himmel) unmöglich und ich fand mich allein, mit einem Bruchteil der früheren Angestellten, in einem der Resorts wieder. Nach kurzer Zeit hatte ich den Wald in der näheren Umgebung erkundet und die weiten Wege zu Nachbarn und Schicksalsgenossen ausgiebig erprobt. In Ermangelung von Gästen durfte ich mich in einem der Luxus-Bungalows häuslich einrichten. Unser Hauptsitz in Manado versorgte uns einmal die Woche mit allem Notwendigen und auch mit Baumaterial für weitere künstliche Strukturen unter Wasser. So verbrachte ich den kompletten Rest des Jahres 2020 unter Wasser…. naja fast.

Ich legte mein Handeln auf den Schwerpunkt der Korallen-Rehabilitation und sammelte abgebrochene Steinkorallenfragmente ein, um sie an Gitterstrukturen aus Eisen zu fixieren und ihnen so eine Möglichkeit zu geben, wieder gesunde Korallenkolonien zu bilden und damit vielen anderen Tierarten einen neuen Lebensraum bieten. Da ich nicht unter Zeitdruck stand, konnte ich fast immer meine Unterwasserkamera mitnehmen und viele Gegebenheiten dokumentieren, zu denen man sonst weniger in der Lage ist. Von einigen dieser besonderen Begegnungen möchte ich euch berichten.

Viel Spaß dabei!
Euer Barney Seier

Die Wohngemeinschaft der Federsterne

Feder- oder Haarsterne (Crinoidae) gehören wie die Seesterne, Seeigel und Seegurken zum Stamm der Stachelhäuter (Echinodermata). Sie leben meist als Filtrierer und Suspensionsfresser in flachen Meereszonen mit starker Strömung. Wegen ihrer Zerbrechlichkeit vermeiden sie aber die extremen Bedingungen der Gezeitenzone. Normalerweise sind sie lichtscheu und verstecken sich tagsüber mit eingerollten Armen in Spalten und Löchern im Riff. Erst in der Dämmerung verlassen sie ihr Versteck und erklimmen erhöhte Positionen. Dort  entrollen sie ihre fächerförmigen Arme und fischen in der Strömung nach Detritus, Kieselalgen, einzelligen Algen und Kleinkrebsen.

Federsterne (Crinoidae) sind die älteste Gruppe der Stachelhäuter (Echinodermata) und unterscheiden sich kaum von ihren fossilen Verwandten, den Seelilien. Wie alle Stachelhäuter sind auch sie fünffach radial-symmetrisch aufgebaut. Aber ihre fünf Arme teilen sich öfter und daher sieht man dieses Merkmal nicht auf dem ersten Blick. Im Unterschied zu den Seeigeln und Seesternen zeigt die Mundöffnung der Federsterne nach oben, vom Bau her sind sie also ein auf dem Rücken liegender Seestern. Gegenüber der Mundöffnung, also auf der Unterseite des Federsterns, befinden sich die  sogenannten Cirren, kleine Beinchen, mit denen sie sich an exponierten Stellen im Riff festhalten und auch kleine Strecken laufend überwinden können. Die Farben der Haarsterne sind mannigfaltig und variabel und daher kein sicheres Bestimmungsmerkmal.

Federsterne beherbergen eine ganze Palette von Untermietern aus vielen systematischen Gruppen, Fische, Krabben und Garnelen bilden eine einzigartige Wohngemeinschaft.

Schildbäuche (Discotrema) sind 3-4 cm große Fische, die häufig und exklusiv in Federsternen zu finden sind. Sie besitzen einem Saugnapf am Bauch, mit dem sie sich an den Armen des Federstern festhalten können. Man hat im Korallendreieck schon drei verschiedene Arten beschrieben.

Der Furchen- oder Springkrebs (Allogalathea babai) hält sich tagsüber auf der Unterseite des Federsterns zwischen Cirren und Armen auf. Wie auch die Schildbäuche passt er sich farblich seinem Wirt an. Nur die zwei Streifen auf seinem Rücken (Carapax) sind artspezifisch.

Es gibt über 10 verschiedene Federstern-Garnelenarten aus 4 verschiedenen Gattungen, viele davon sind noch nicht Erstbeschrieben. Alle können sich aber ihrem Wirt farblich anpassen. Tagsüber verstecken sie sich zwischen den Armen der Federsterne. Nachts laufen sie auf der ausgebreiteten Planktonfalle frei umher und stibitzen ihrem Wirt das ein oder andere Partikelchen von den Armen bevor diese im Mund des Federsterns verschwinden.